Die Schützenbruderschaft St. Michael
Im 14. Jahrhundert entstanden in Deutschland, angeregt durch das Schützenwesen in Flandern, in den Städten die ersten Schützengesellschaften. Damals mussten alle Bürger ihre Stadt im Falle eines
Krieges gegen einen Angreifer verteidigen. Aus dieser Verpflichtung heraus entwickelten sich Schützengilden, die ihre Mitglieder im Gebrauch der Waffen unterwiesen. Schon damals entstand ein eigenes
Zeremoniell, das seinen Höhepunkt im jährlichen Vogelschießen um die Würde eines Schützenkönigs hatte.
In späteren Zeiten dehnte sich das Schützenwesen auch auf die Dörfer aus. Entgegen einer heute verbreiteten Ansicht spielten aber die ländlichen Schützen im 16 und 17. Jahrhundert keine besonderen Rollen bei kriegerischen Auseinandersetzungen, da sich bald zeigte, dass sie den gut ausgebildeten und besser bewaffneten Soldaten nicht gewachsen waren. Die Schützenabteilungen wurden vielmehr von den Landesbehörden als ein Instrument der öffent-
lichen Sicherheit und Ordnung betrachtet. So wurden die Schützen im Fürstbistum Paderborn beispielsweise häufig dazu aufgeboten, das Land bei „Vagabunden-Jagden“ nach unerwünschten Personen ohne
festen Wohnsitz zu durchsuchen. Sie wurden gelegentlich mit Aufgaben an den Grenzen betraut, und sie mussten Festgenommene bewachen und sie gegebenenfalls in das Gefängnis einer Stadt schaffen. Ihre
Aufgaben entsprachen somit in einem gewissen Maße denen der heutigen Polizei. Hierzu zwei Beispiele aus dem benachbarten Herstelle. Im Jahre 1729 bewachten die dortigen Schützen einige Tage lang die
Kirche, in der ein hessischer Deserteur Zuflucht gesucht hatte. Nach damaliger Sitte schützte der Kirchenraum einen Flüchtling. Die Behörden konnten sich nicht ohne weiteres Zutritt verschaffen.) Im
Jahre 1747 ließ der Richter in Herstelle mit Hilfe von Schützen einen Schuhmacher verhaften und nach Beverungen ins Gefängnis schaffen, wie dieser als ein offensichtlich jähzorniger Trunkenbold
mehrmals seine Frau fürchterlich verprügelt hatte.
Es ist unbekannt, wann eine Schützenabteilung in Würgassen gegründet worden ist. Sehr wahrscheinlich ist das aber schon vor 1700 geschehen. Die erste Erwähnung findet sich für das Jahr 1717, als Joh. Jürgen Thoß (1678 – 1729), ein Sohn des ersten Schulmeisters in Würgassen, einen silbernen Vogel stiftete, der heute noch die Königskette ziert. Es ist anzunehmen, dass der Stifter in diesem Jahre die Königswürde errungen hatte. Weitere Nachrichten sind selten. Im Jahre 1755 wehrten sich die Würgasser Schützen gleich denen aus Herstelle und Haarbrück erfolgreich gegen das Ansinnen der Beverunger Schützen, ihnen bei der langen und lästigen Bewachung zweier Inhaftierten behilflich zu sein.
Am 1. Sept. 1778 besuchte Bischof Wilhelm Anton den Ort Herstelle. Die Würgasser und Hersteller Schützen begrüßten ihn am Ufer der Weser. Aus diesem Jahre stammt auch die alte Fahne des Vereins. Sie
zeigt auf der einen Seite das Bild des hl. Michael mit der Inschrift:
„In hoc signo vinces“. (In diesem Zeichen wirst Du siegen.)
Auch aus dem 19. Jahrhundert liegen nur wenige Bekundungen vor. Vermutlich ist nach dem Ende der paderbornischen Herrschaft wie in anderen Orten ein Schützenverein in Würgassen entstanden, der das
überlieferte Brauchtum pflegte und der sich der Kirche besonders verbunden fühlte.Die Frau des Gutsbesitzers in Würgassen, Juliane Antoinette von Wrede, geb. von Zielberg, stiftete am 6. Juni 1807
den Schützen einen kunstvoll gearbeiteten Silberschild, der bis heute ebenfalls ein Bestandteil der Schützenkette ist.
Anscheinend hat es in größeren Abständen Schützenfeste gegeben. Aufzeichnungen sind aber erst seit 1889 vorhanden, als nach fast 40 Jahren wiederum ein Fest gefeiert wurde. Der Verein wurde zu dieser
Zeit von Heinrich Brökel (1829 – 1897) geleitet, der das Reglement als ehemaliger Soldat militärisch streng gehandhabt haben soll. Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 schlossen sich dann weitere
Feste an. Nach den Worten der Ortschronik sollen sie immer in guter Harmonie verlaufen sein. Der Erinnerung nach hat in dieser Zeit der Landwirt Johannes Rox dem Verein vorgestanden. Um die
Königswürde wurde schon damals stets auf die Scheibe geschossen, nicht auf den Vogel wie in weiten Teilen Westfalens üblich.In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wurde nur ein einziges Fest im
Jahre 1925 begangen. Schützenkönig war Heinrich Thiele und seine Schützenkönigin war Frau Maria Schrick. Schützenoberst war Anton Willeke.
Das Vereinsleben kam in den Jahren darauf ganz zum Erliegen. Erst 1949 regten sich Bemühungen, die alte Bruderschaft wiedererstehen zu lassen. Es ist insbesondere Wilhelm Freise, Heinrich Kayser, Johannes Kayser und Franz Brökel zu verdanken, dass die Vereinigung 1950 neu gegründet werden konnte. Im Juni dieses Jahres wurde das erste Fest gefeiert. Ihm schlossen sich bis heute weitere 17 Feste an, die auf gute Weise dazu beitrugen,
das Gefühl für Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft zu festigen. Es ist das Ziel des Vereins, in einer christlichen Grundhaltung bewährte Traditionen zu pflegen und alte Werte sinnvoll mit den Erfordernissen der heutigen Zeit zu verbinden, ganz so, wie es auf eine ansprechende Weise der Spruch in der neuen Schützenfahne aus dem Jahre 1958 ausdrückt:
„Aus alter Wurzel neue Kraft“
Folgende Männer haben seit 1950 an der Spitze der Bruderschaft gestanden:
Franz Brökel – Heinrich Kayser – Ferdinand Schlüter – Johannes Kayser – Heinz Brökel –
Siegfried Wille – Hans-Jürgen Kleinschmidt - Dirk Rüschoff
Abschließend sei erwähnt, dass der Verein auch den Schießsport pflegt. Ein eigener Schießstand konnte 1973 auf dem gepachteten Gelände eines ehemaligen Steinbruchs eingerichtet werden. Dieses gepachtete Gelände ist mittlerweile Eigentum der Schützenbruderschaft. Als kleine Besonderheit sei hinzugefügt, dass der Schießstand auf westfälischem Gebiet, das Ziel aber auf niedersächsischem Gebiet liegt.